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Ich suche… Ich biete…: „Verwaltungsschale vernetzt“ bringt Standard-Service-Provider für automatische Angebote auf den Weg
Einleitung
Am 14. Juni fiel der Startschuss für das Verbundprojekt „Verwaltungsschale vernetzt“. Es ist von der Plattform Industrie 4.0 initiiert und vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gefördert. Rund 20 Verwaltungsschalen-Pioniere kamen zum Kick-Off Meeting an die Universität Magdeburg. Das Ziel des ersten Treffens: Sich einen Überblick über die bestehenden Verwaltungsschalen-Projekte und -Initiativen zu verschaffen und festzuzurren, was das Projekt konkret erreichen soll. Nach Hause gegangen sind die Beteiligten mit viel mehr: Einer Abmachung zu dem, was bis Herbst 2019 verwirklicht werden soll – ein sogenannter Service Provider, also ein Stück Software innerhalb der Verwaltungsschale, der Angebote eigenständig erstellen kann.
Ein Start mit großem Zulauf: Das Projektteam von „Verwaltungsschale vernetzt“ an der Universität Magdeburg. (Namen von links nach rechts: Johannes Reich, Tizian Schröder, Erik Genfner, Christoph Legat, Jörg Wende, Nico Westkamp, Pascal Rübel, Alexander David, Alexander Belyaev, Anja Biereigel, Matthias Müller, Christian Diedrich, Daniel Espen, Matthias Riedl, Manuel Sauer, Jörg Neidig, Bernd Vojanec, Thomas Werner, Olaf Ulrich)
Wir haben Prof. Dr.-Ing. Christian Diedrich von der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg (OvGU) und dem ifak (Institut für Automation und Kommunikation) nach dem Auftakt gesprochen.
Herr Diedrich, wer war dabei und warum?
„Insgesamt waren 19 Teilnehmer aus neun Projekten und Initiativen beim Treffen: wie BaSys 4.2 (gefördert vom BMBF), Smart Factory Kaiserslautern (DFKI) und das Projekt TeDZ (Fraunhofer IOSB-INA); außerdem Projekte von ifak wie das BMWi-Projekt INVITE4.0 und Vorhaben bei IBM, Mitsubishi, SAP, Siemens und Wittenstein. Die Firma Bosch und das open source Projekt openAAS sind prinzipiell mit dabei, konnten aber keinen Vertreter zum Kick-off senden.
Beim ersten Hören klingen die Projekte sehr unterschiedlich. Doch sie haben mehr gemeinsam, als man vermutet. Sie alle beschäftigen sich mit dieser einen Frage, die so grundlegend und wichtig für Industrie 4.0 ist: Wie verstehen sich Maschinen oder Produkte in Fabriken so, dass sie autonom interagieren und die zu erfüllenden Aufgaben in der Produktion erledigen? Und genau deshalb gibt es ‚Verwaltungsschale vernetzt‘. Es bringt existierende Projekte zusammen, die die Verwaltungsschale umsetzen, und harmonisiert ihre Sprachen.“
Haben sich Ihre Erwartungen an das erste Treffen erfüllt?
„Auf jeden Fall! Ich freue mich vor allem darüber, dass wir mit der Abmachung nach Hause gegangen sind, im ersten Schritt eine gemeinsame Anwendung auf die Beine zu stellen und verschiedene Implementierungsvarianten zu verwenden.“
Was heißt das genau? Welche Ziele haben Sie sich gesetzt?
„Wir werden in unserer weiteren Arbeit BaSys 4.0, openAAS und andere firmenspezifische Implementierungen berücksichtigen. Am Ende des Projekts sollen die Verwaltungsschalen alle untereinander interoperabel sein. Um dort hinzugelangen, legen wir die Kriterien an die Interoperabilität fest, sammeln in einem Testbed praktische Erfahrungen, werten die Spezifikationen aus, die bereits existieren, und übermitteln unsere Ergebnisse an die Arbeitskreise der I4.0-Community. Außerdem entwickeln wir Best-Practice-Beispiele für Inhalte und die Nutzung der Verwaltungsschale.“
Ganz konkret: Was ist Ihre erste Aufgabe?
„Wir haben uns darauf geeinigt, dass die Verbund-Partner bis Herbst 2019 einen Service Provider für eine automatisierte Ausschreibung nach der Richtlinie VDI/VDE 2193-2 umsetzen. Das bedeutet: Wir kreieren und programmieren einen Service Provider, der auf eine maschinell erstellte Ausschreibung ganz autonom ein Angebot erstellen kann.“
Was ist ein Service Provider für ein Ausschreibungsverfahren im Kontext der Verwaltungsschale?
„Ein Service Provider ist eine Software innerhalb der Verwaltungsschale. Mit dem Provider können Industrie-4.0-Komponenten wie Produkte, Maschinen oder Produktionsteile sogenannte Service Requests – also Ausschreibungen – anderer Komponenten verstehen. Der Service Provider kann auf diese Anfragen reagieren und selbstständig Angebote abgeben.
Ein kleines Beispiel: Ein Fahrradlenker soll produziert werden. Dieser erhält – auch wenn er noch nicht existiert – seine Verwaltungsschale. Diese ist in der Lage, die Ausschreibung ‚Ich muss jetzt 3D gedruckt werden. Wer kann den Auftrag unter x Euro übernehmen?‘ zu veröffentlichen. Das bedeutet: Die Fahrradlenker-Verwaltungsschale nimmt die Rolle eines Service Requesters ein und sendet den Druck-Request in die Werkshalle, in der fünf 3D-Drucker zur Verfügung stehen. Die Verwaltungsschalen der 3D-Drucker verstehen den Request, da sie mit der entwickelten Software auch die Rolle eines Service Providers einnehmen können. In dieser Rolle prüfen die fünf 3D-Drucker-Verwaltungsschalen automatisch, ob ihr Drucker etwa Randbedingungen wie den Zeitpunkt der Fertigstellung (‚jetzt‘) oder die Kosten für die Durchführung (‚unter x Euro‘) erfüllen. Der Service Provider in den Verwaltungsschalen der 3D-Drucker entscheidet autark, ob und welches Angebot er abgeben kann oder will. Er verhandelt und kommuniziert direkt mit der Verwaltungsschale des Fahrradlenkers. Kommt der nächste Produktionsschritt, startet die Fahrradlenker-Verwaltungsschale eine neue Ausschreibung – und somit auch eine neue Verhandlung unter den relevanten Verwaltungsschalen.“
Ist dieses Ausschreibungsverfahren für andere zugänglich, die nicht am Projekt teilnehmen?
„Ja klar! Auf Anfrage stellen wir die Unterlagen zur Verfügung, damit auch andere solche Service Provider programmieren können. Die Beschreibung ist in englischer Sprache.“
Was bringt das alles? Warum setzen Sie den Provider als erstes um?
„Es gibt gute Gründe für die Wahl des Beispiels. Das Ausschreibungsverfahren zeigt neue Möglichkeiten von Industrie 4.0; zum Beispiel, wie wir mit Merkmalen und Dictionaries umgehen, die über die klassischen API-Schnittstellen hinausgehen. Mit dem Ausschreibungsverfahren können wir die Zusammenarbeit zwischen I4.0-Komponenten sehr dynamisch und hochflexibel gestalten – vor allem, wenn Aufgaben in der Produktion verteilt werden müssen. Freie interne oder externe Kapazitäten werden so automatisiert in die Unternehmensabläufe eingebunden und Engpässe schneller überwunden. Dies zeigt auch, wie Autonomie in den I4.0-Komponenten umgesetzt werden kann.
Wir bauen unsere Arbeit auf der Richtlinie VDI/VDE 2193-2 auf, da das Ausschreibungsverfahren Gegenstand der Richtlinie ist und sie im Konsens von den VDI-Mitgliedern als endgültige VDI-Richtlinie verabschiedet wurde. Sie wird also von der Fachwelt unterstützt und getragen. Die Richtlinie haben wir außerdem einer Rechtprüfung unterzogen, mit dem Ergebnis, dass das Ausschreibungsverfahren bei beidseitiger Annahme der AGBs zu einem rechtsgültigen Vertrag zwischen Maschinen führen kann. Darüber hinaus gibt es bereits ein Testbed, das dieses Beispiel umsetzt. Hinzu kommt, dass es noch keine Einigung über eine Middleware gibt, wie Daten ausgetauscht werden können. Die Arbeiten dazu sind noch nicht abgeschlossen. Die Industrie 4.0-Sprache nach VDI/VDE 2193-2 ist vollständig unabhängig von einer solchen Middleware und wir können sie mit den unterschiedlichsten Middleware-Lösungen verwenden.“
Vielen Dank für das Gespräch!
Am 23. September 2019 trifft sich das Projektteam erneut – dann voraussichtlich in Fulda.
Hier finden Sie weitere Informationen zu den Hintergründen und Inhalten von „Verwaltungsschale vernetzt“.
Weiterlesen:
29.05.2019Meldung
Sagt die eine Maschine zur anderen… Plattform Industrie 4.0 startet Verbundprojekt „Verwaltungsschale vernetzt“