Dr. Christian Ripperda, Vice President/Technology Director Isra Vision AG

Dr. Christian Ripperda, Vice President/Technology Director Isra Vision AG

© Isra Vision AG

Frage 1: Neben Automatisierungslösungen im Bereich industrielle Bildverarbeitung und Machine Vision setzt Isra Vision auch auf digitale Geschäftsmodelle. Welchen Mehrwert bieten sie im Vergleich zu herkömmlichen Geschäftsmodellen?

Digitale Geschäftsmodelle punkten im Gegensatz zu Geschäftsmodellen mit physischen Produkten vor allem im Bereich Skalierung, Geschwindigkeit und Kosten. Digitale Dienste oder Produkte können nicht nur schneller verprobt und rund um die Uhr ausgeliefert werden, sie sind auch global und Zeitzonen-unabhängig verfügbar. Einmal implementiert, können digitale Geschäftsmodelle den Kunden mehr Mitwirkungsmöglichkeiten bieten. Die Inbetriebnahmen, Rekonfigurationen werden durch Onlinehilfen unterstützt, Service und Wartung werden effizienter. Anbieter und Kunde wachsen näher zusammen und können gemeinsam Lösungen finden. Im Kontext digitaler Geschäftsmodelle besteht zudem die technische Möglichkeit der datengetriebenen Analyse von Systemverhalten und Nutzen. So kann bereits die nächste Generation an digitalen Produkten von den gerade erst erhobenen Daten profitieren.

Momentan haben wir es mit einer Art Greenfield-Situation zu tun: Digitale Geschäftsmodelle sind noch neu und viele Felder sind noch unbesetzt. Jedes physische System im Feld ist ein potenzieller Enabler und Datenlieferant für weitere digitale Geschäftsmodelle. Der deutsche Mittelstand hat durch seine starke Position im weltweiten Vergleich einiges zu bieten. Diese positive Ausgangssituation wird am Standort Deutschland leider viel zu oft vergessen.

Frage 2: Welche Hürden musste Isra Vision bei der Entwicklung und Implementierung dieser neuen digitalen Geschäftsmodelle überwinden?

Jeder Mehrwert, den ein digitales Geschäftsmodell bietet, stellt ein typisches mittelständisches Unternehmen im Maschinenbau vor eine Transformationsaufgabe. Beispiele: Zur Nutzung der neuen Geschwindigkeit muss agile Entwicklung erst gelernt werden. Natürlich braucht es auch andere Geschäftsprozesse, um ein digitales Produkt ausliefern zu können, über eine Plattform, eine Website oder per Download. Auch Online-Marketing gehört dazu; Kompetenzen müssen aufgebaut werden. Im Zentrum steht jedoch die Integration: Sie müssen die richtigen Schnittstellen kennen, um das digitale Geschäftsmodell oder Produkt andocken zu können. Nicht zuletzt müssen die neuen digitalen Geschäftsmodelle auch anders geschützt werden, weniger durch Patente, sondern durch das Bevölkern und Besetzen der Felder.

Frage 3: Wie können günstige Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit Unternehmen zunehmend auch digitale Geschäftsmodelle entwickeln und am Markt etablieren?

Zuallererst brauchen Unternehmen Rechtssicherheit – und zwar im positivsten Sinne. Keine Überregulierung, sondern einen Rechtsrahmen, der sinnvolle Leitplanken einzieht, und in dem man gute Geschäfte machen kann. Wir haben es in Deutschland oft mit Regulierungen zu tun, die über den „globalen Standard“ hinausgehen. Auch dann gilt es nicht zu verzagen, denn derjenige, der auf schweren Pisten skifahren lernt, muss am Ende nicht der schlechtere Skifahrer sein. Wichtig ist auch ein gutes Innovationsklima, das es Gründern ermöglicht, Kontakte zu knüpfen, Förderungen zu erhalten, neue Technologien zu entwickeln und zu erproben und gemeinsam mit dem Mittelstand etwas aufzubauen. Eine besonders wichtige Rolle spielen Fachkräfte: Wir benötigen die richtigen Ausbildungskonzepte, Instrumente und Inhalte, um Fachkräfte sowohl organisch aber auch aus dem Ausland für unseren Standort zu gewinnen.

Um das zu erreichen, ist ein enger gesellschaftlicher Dialog zwischen allen beteiligten Interessensvertretern, insbesondere Arbeitnehmervertretern, essentiell. Deshalb setzen wir bei diesem Thema in der AG „Arbeit, Aus- und Weiterbildung“ der Plattform auch auf eine breite Repräsentanz unterschiedlicher Stakeholder. In der hier gerade neu gegründeten Unterarbeitsgruppe „Künstliche Intelligenz“ wird es unter anderem darum gehen, wie Qualifizierung mit neuen Technologien im Unternehmen aussehen kann.