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Dr. Carsten Polenz ist Vice President der SAP SE und Mitglied im Lenkungskreis der Plattform Industrie 4.0.

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Das neue Impulspapier der Task Force Nachhaltigkeit zeigt, dass Industrie 4.0 Nachhaltigkeit ermöglicht. Können Sie uns das genauer erklären?

Zunächst haben wir uns über 60 Beispiele von Unternehmen angeschaut, die bereits heute mit Digitalisierung zu Nachhaltigkeit beitragen. Es haben sich drei vielversprechende Ansätze gezeigt. Daraus haben wir Entwicklungspfade für eine digitale, vernetzte und nachhaltige Produktion abgeleitet: Erstens ist Energie- und Ressourceneffizienz unabdingbar. Das ist wenig überraschend. Aber wir zeigen konkrete und innovative Ansätze auf. Der Sustainability Ledger – ein „Nachhaltigkeits-Buch“ gibt, zum Beispiel, Auskunft über den CO2-Ausstoß. Zweitens müssen wir Kreisläufe schließen. Neue, digitale Geschäftsmodelle rund um das Lifecycle Management machen es möglich. Bis zum Jahr 2030 könnte die Kreislaufwirtschaft global 4,5 Billionen US-Dollar zusätzliche Wirtschaftsleistung generieren. Und drittens müssen wir lernen stärker zusammenzuarbeiten. Wertschöpfungsketten werden mehr und mehr zu Netzwerken. Kooperation ermöglicht ganz neue Flexibilität, Produktivität und eben auch Nachhaltigkeit. Das Prinzip „Nutzen statt Besitzen“ funktioniert auch in der Produktion: Als ein Beispiel, werden eigene Anlagen zum geteilten Wertschöpfungsfaktor. Das spart Energie, Ressourcen und Geld.

Was ist dabei die Rolle der Plattform Industrie 4.0?

Nachhaltigkeit ist eines von drei zentralen Handlungsfeldern im „Leitbild 2030 für Industrie 4.0“ der Plattform Industrie 4.0. Standards. Für die ökologische Nachhaltigkeit gibt es seit Ende 2019 die Task Force Nachhaltigkeit. Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Gewerkschaft arbeiten darin zusammen. Das Ziel: Industrie 4.0 soll einen zentralen Beitrag zu einer klimafreundlichen und ressourcenschonenden Zukunft leisten. Ein Beispiel: Die Arbeit der Plattform zu Interoperabilität und Standards ist eine wichtige Grundlage für mehr Nachhaltigkeit. Die Verwaltungsschale etwa ermöglicht den Sustainable Twin. Der Digitale Zwilling wird mit Aspekten der Nachhaltigkeit ergänzt, wie Informationen zum Re-Manufacturing. Das geht nur, wenn alle dieselben Standards verwenden, also in derselben Sprache sprechen.

Aber auch die soziale Nachhaltigkeit ist fester Bestandteil der Plattform Industrie 4.0. Der sozialpartnerschaftliche Dialog in der Arbeitsgruppe „Arbeit, Aus- und Weiterbildung“ ist dabei Dreh- und Angelpunkt.  

Viele Industriebetriebe sind bereits erste Schritte der digitalen Transformation gegangen. Was muss geschehen, damit die Digitalisierung Fahrt aufnimmt und Nachhaltigkeit in der Industrie ermöglicht? 

Die Entwicklungspfade, die wir aufzeigen, ermöglichen nicht nur eine nachhaltige Entwicklung. Sie sichern ebenso die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie. Wir können Nachhaltigkeit als integrativen Ansatz für Unternehmen verstehen. Denn Nachhaltigkeit kann einen echten Mehrwert für Firmen, Kunden und Beschäftigte bringen. Mit dem Impulspapier wollen wir der Industrie diese Win-Win-Situation näherbringen. Die Unternehmensbeispiele zeigen, dass es bereits viele gute Ansätze gibt. Wir müssen sie nun in die breite Umsetzung und Skalierung bringen. Unter anderen richtet sich das Transfernetzwerk der Plattform Industrie an KMUs und unterstützt sie bei der Anwendung von Industrie 4.0 Lösungen.