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v. l. n. r. Dr. Philipp Haas, Dr. Christine Payer, Dr. Alexander Duisberg

© Dr. Philipp Haas: Robert Bosch GmbH, Dr. Christine Payer: Sascha Feuster, Dr. Alexander Duisberg: Bird & Bird LLP

Durch eine gezielte Auswertung von Daten können Hersteller ihre Produkte und Dienstleistungen weiterentwickeln und anhand des Kundenverhaltens passgenau optimieren – zum Beispiel über Wartungen aus der Ferne und neue Services für ein noch besseres Produkterlebnis der Nutzenden. Die Basis hierfür liegt im Sammeln und Verwerten von Daten. B2B-Plattformen bieten im industriellen Kontext dabei ein enormes Potenzial für die deutsche Wirtschaft. Der Knackpunkt: Häufig ist nicht eindeutig geklärt, ob und wie mit Daten umgegangen werden darf. Um Abhilfe zu schaffen, rufen einige nach Regelungen durch den Gesetzgeber.

Kein gesetzliches Eigentumsrecht an Daten

„Nach der im Februar 2020 vorgestellten Datenstrategie der EU-Kommission kristallisiert sich heraus, dass es kein gesetzliches Eigentumsrecht an Daten geben wird, sondern Regelungen für spezifische Bereiche wie Mobilität“, prognostiziert Dr. Philipp Haas, Leiter Recht für Digitales und neue Geschäfte bei der Robert Bosch GmbH. „Aus Sicht der EU-Kommission hat sich die gemeinsame Nutzung der Daten zwischen Unternehmen nicht ausreichend durchgesetzt, unter anderem aufgrund der ungleichen Verhandlungsmacht. Vor diesem Hintergrund sind auch die Ergebnisse der Online-Konsultation der EU von großem Interesse, wie ein einheitlicher europäischer Datenraum geschaffen werden soll“, ergänzt Dr. Christine Payer, Lead Counsel IIoT bei der Dürr AG. Bis zum 31. Mai 2020 konnten Interessierte online ihre Ideen und Anmerkungen bei der EU einbringen.

Kooperation zwischen Unternehmen nimmt zu

Im Markt sei bereits zu beobachten, dass Kooperationen zwischen Unternehmen an Fahrt aufnehmen und exklusive Rechte an Daten von Maschinen in den Hintergrund treten. „Hersteller haben erkannt, dass sie die Zulieferer brauchen, um ihre Lösungen zu skalieren“, berichtet Dr. Alexander Duisberg, Rechtsanwalt und Partner bei Bird & Bird LLP. „Nur gemeinsam mit Business und Technik sowie Data Scientists lässt sich klären: Welche Daten brauchen wir in welcher Qualität wann? Das erfordert zum Beispiel auch, sich mit dem OPC-Standard zu beschäftigen, der wie eine Sprache für Maschinen funktioniert.“ 

B2B-Plattformen als Chance statt Risiko begreifen 

Bestehende Kooperationen sind häufig durch Vorbehalte geprägt – vor allem wenn Plattformen ins Spiel kommen. Oft tendieren Marktteilnehmende dazu, möglichst wenig interne Informationen preiszugegeben und Betriebsgeheimnisse wohl zu hüten. Mit Blick auf die Governance-Strukturen von B2B-Plattformen lassen sich solche Barrieren womöglich abbauen: „Gibt es einen mächtigen Anteilseigner, der alles bestimmt? Oder mehrere, von denen jeder einzelne etwas bewirken kann? Werden alle Partner gleich beteiligt? Und welche Verhaltensregeln oder Codes of Conduct gelten?“, so Payer.

„In der Praxis zählt, wie agiert wird. Regelungen in einem Vertrag genügen nicht. Vor allem die konzeptionelle und technische Struktur ist entscheidend, um zum Beispiel die Einsichtnahme in Wettbewerberdaten durch sogenannte „Chinese Walls“ zu verhindern“, ergänzt Haas. Große Chancen ergeben sich dabei vor allem für mittelständische Unternehmen. „Weil die OEMs (Original Equipment Manufacturer) die Zulieferer für die Skalierung brauchen, führt man ganz andere Gespräche als bisher, als es nur um Performance und Kosten ging“, erklärt Duisberg.

Kein Handlungsbedarf des Gesetzgebers bei industriellen Plattformen

Mehr Sicherheit soll hierzulande das kommende IT-Sicherheitsgesetz 2.0 bringen. „Der Kreis der Sektoren mit kritischen Infrastrukturen wird erweitert und die Zertifizierung von Produkten und Dienstleistungen nach Cybersecurity-Gesichtspunkten wird ein Riesenthema werden“, so Duisberg.

Hinter IoT-Plattformen stecken jedoch häufig viele internationale Partner. Haftungsregelungen und Rechtssicherheit sind da eine besondere Herausforderung. „Der Zeit- und Kostendruck ist groß. Projekte können schnell unwirtschaftlich werden, wenn man die Haftungsklauseln in über 20 Staaten überprüft“, plädiert Haas für mehr Agilität.

Allgemein sieht die AG Recht bei industriellen Plattformen keinen Handlungsbedarf für den Gesetzgeber – bis auf eine Ausnahme: „Wir brauchen eine Liberalisierung im AGB-Recht. Keine der internationalen Rechtsordnungen stellt B2B-Verträge derart streng mit denen für Verbraucher gleich wie Deutschland“, konstatiert Haas. „Gerade bei innovativen Geschäftsmodellen, die noch nicht rundum erforscht sind und erst einmal geringe Margen abwerfen, ist es für die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen entscheidend, dass die Risiken durch beschränkte Haftung kalkulierbar sind.“